Gamescom-Afterblog #2: Sonic Frontiers und die Frage nach dem Warum

Dies ist Teil 2 meines Blogs zur Gamescom 2022. Um die Stunde des Moments zu nutzen, springe ich einmal in das Feld des Videospieljournalismus hinein und teile meine Erfahrungen und Impressionen über die diesjährige Gamescom und ihre Aussteller. Über den Verlauf von vier Tagen hatte ich die Gelegenheit, mich in diverse Schlangen zu stellen, zukünftige Releases anzuspielen und mich mit einigen Entwicklern auszutauschen. Zur Liste aller Artikel zur Gamescom 2022: https://stevenangelo.de/tag/gamescom-2022/

Das neue Spiel des Entwicklers Sonic Team heißt Sonic Frontiers. Auf der Jagd nach dem Erfolg seines Rivalen Marios dachte sich das Entwicklerteam, das sich nun schon seit 1991 in wechselnder Besetzung um das Sonic The Hedgehog-Franchise kümmert: Warum nicht die Erfolgsformel kopieren? Warum kein Open-World-Sonic?

Nun muss ich an dieser Stelle zwei Kontexte voranschieben. Erst einmal zu meiner Erfahrung mit dem Franchise. Als ich klein war, war mein erster Kontakt mit der Sonic-Reihe das kritisch erfolgreiche Sonic Adventure 2. Die Krone der sogenannten Adventure-Ära setzte dabei auf variables Gameplay und „tiefgründiger“ Story, die mich zumindest damals mächtig beeindruckt hatte, und sich auch heute noch sehen lässt.

Glücklicherweise an den Misserfolgen beim Soft-Reboot vorbeigezogen, war für mich Sonic Unleashed der nächste Bezugspunkt. Der moderne Sonic, mit rasanten Leveln, Wechsel zwischen 2D- und 3D-Passagen und schöner Grafik, selbst auf der damals runtergestutzen Wii-Version. Dazu ein Nachtmodus-Gimmick, das sich nicht halten konnte, weil ein kämpfender Werwolf-Sonic geben nichts mit „gotta go fast“ zu tun hatte.

Mein Highlight war dann definitiv das sich selbst bejubelnde Sonic Generations. Zu den modernen, hier nun deutlich ausgereifteren, schnellen Passagen durch alte ikonische Level der Reihe trat nun der klassische Modus dazu, der eine moderne Abwandlung des Classic-Sonics der klassischen Ära war. Es hat funktioniert, nicht nur bei mir, sondern bei der Sonic-Community insgesamt.

Dann allerdings wusste Sonic Team nicht ganz, wo sie hinwollten. Die Reihe war schon zu diesem Zeitpunkt in einem Stimmungstief, den neben dem Erfolg von Sonic Generations gesellte sich eben auch eine ganze Reihe an mittelmäßigen Spin Offs und Gameplay-Experimente. Wie in so vielen Reihen hatte die Fanbase vor allem Spaß am Simplen, am Einfachen, am Grundsätzlichen, an den Formeln, die Sonic erfolgreich gemacht hatte.

Doch während die klassischen Fans mit Sonic Mania zufriedengeben konnten, einem Fangabe-gone-commercial, hatten die modernen Fans einen Problemfall nach dem nächsten. Sonic Lost World hat versucht, Super Mario Galaxy mit der Sonic-Formel zu verschmelzen, was zu einer ungenauen Steuerung und seltsamen Raumgefühl führte. Sonic Boom war der erfolglose Versuch, einen Soft Reboot mit überzeichneten Charaktermodellen und einem verbuggten Adventuremix zu erzeugen. Und dann kam Sonic Forces, das fast klug Generations kopierte, aber dann einen dritten Gameplay-Modus implementierte, den wirklich niemand mochte.

Warum dieser Weg?

Weshalb das wichtig ist? Um zu zeigen, was der eigentliche Wille der Community ist. Sie will gutes, modernes Sonic-Gameplay. Schnelles Gefühl, verschiedene Wege in Level, franchiseübliche bunte Grafik und keine neuen Gimmicks. Das größte Fanprojekt der Szene, Sonic Generations Unleashed, verschmilzt das Leveldesign der Nicht-Gimmick-Level von Unleashed mit der Steuerung von Generations. Das Ergebnis ist großartig! Und das, was sich ein Fan von der Reihe wünschen würde.

Doch was kriegen wir stattdessen? Einen langsamen Open World-Sonic, klassische Level finden nur in 30-sekündigen Sonderpassagen statt, die man in der Welt finden kann und sind 100% linear, das ließ sich zumindest so im Anspieltest sehen, und die Grafik ist ein Unreal Engine-Demo-Verschnitt, der mehr nach grün-grauer Einöde aussieht, als nach einem Sonic-Spiel.

Man möchte offensichtlich an Open World-Erfolge seiner Plattformer-Konkurrenz anschließen, weiß aber einerseits nicht, was diese gut gemacht hat und andererseits nicht, was einen selbst ausmacht. Man wendet beides auf das Konzept an und das Ergebnis ist eine Gameplay-Suppe, die gänzlich verwürzt ist.

Ein Beispiel ist das Sammeln von kleinen Objekten, die in der Welt verteilt sind, und in gewisser Weise dazu ermutigen sollen, diese zu erkunden. Meist sind diese hinter Plattform-Passagen versteckt, manchmal auch hinter stumpfen Rätseln. Für diese Plattform-Passagen bewegt sich Sonic aber zu sonic-esque, er hat nämlich einen Wendekreis. Korrekt. Mit einem Mario wären diese Passagen bestimmt angenehm zu spielen, so sind meine Kollegen und ich in der Demo mehrmals simpel runtergefallen, weil Sonic entweder nicht nach einem Sprung bremsen wollte oder der Wendekreis eine akkurate Steuerung verhindert hat.

Auch sind diese Objekte nie gut versteckt oder besonders. Während man sich in Odyssey auch mal fragen kann, wie man an ein Sammelobjekt rankommt, sind es hier immer ganz einfache Execution-Passagen, die ein Scheitern deshalb umso frustrierender machen. Nicht nur der Grafikstil, auch die Welt und die Steuerung wirken, als wären sie von zwei verschiedenen Teams gemacht worden, die nicht miteinander kommunizieren.

Selbst die paar Rätselpassagen (auch da: Was haben diese mit Sonic zu tun?) sind ironischerweise genauso problematisch. Da braucht man dann drei bis vier Anläufe, um auf einem winzigen Schalter stehenzubleiben, weil man einberechnen muss, dass Sonic nie sofort stehenbleibt. Warum?

Dazu kommt dann noch die Art, wie das Spiel mit dem lernenden Spieler umgeht. Fähigkeiten und Tastenanschläge werden entweder per Textbox erklärt, die den Spielfluss unterbrechen, oder direkt mit Textboxen UND ganzen Übungsabschnitten in einer weißen Testwelt, denn dem Spieler ist nicht zuzutrauen, dass er etwas selbst lernen oder durch die Einbindung in die Welt etwas lernen könnte. Das bräuchte ja wieder eine ausgereift designte Welt, und die gibt es nicht.

Warum ein Kampfsystem?

Dazu kommt ein Kampfsystem, das überraschenderweise funktioniert. Spezialfähigkeiten und Paraden machen Gegner anfällig, wodurch diese von Sonic besiegt werden können. Der anspielbare Miniboss hat einem gezeigt, dass Paraden der Weg zum Ziel sind, der Rest der Demo (und Großteil der Trailer) zeigt aber vor allem, dass man nicht allzu viele Gegnertypen hat.

Ein Skilltree mit verschiedenen Fähigkeiten und Möglichkeiten des Kampfes ließ sich erahnen, schlussendlich bräuchte so ein System natürlich aber auch die dazugehörigen Gegenspieler. Wenn es ein Parade-basierendes Kampfsystem ist, und das zeigte das Balancing eindeutig, dann wird es schnell langweilig, wenn die Anzahl Gegner gering ist.

Für das Besiegen der Gegner wird man dann mit Erfahrungspunkten belohnt, die Sonic stärker machen. 99 Level zeigen auf, dass vermutlich auch der Grind eines altmodischen JRPGs Einzug in die Reihe finden wird, außer natürlich spätere Gegner geben ganze Level an Erfahrungspunkten. Den ersten Eindrücken nach ist das aber nicht zu erwarten.

Sonic Frontiers Stärken liegen in dem Kampfsystem, alleine das so zu schreiben, bricht dem Kind, das mit dem schnellen Igel an seiner Seite aufgewachsen ist, das Herz. Die Welt ist öde, sieht in Cutscenes nach Texturmatsch aus und passt nicht zum Rest. Das Plattforming versucht, langsam und präzise zu sein, ist aber zu langsam für den Wendekreis eines LKW-Sonic. Gleichzeitig sind die Passagen, für die der moderne Sonic bekannt ist, viel zu kurz, zu linear, und zu langsam.

Mein Fazit aus der Gamescom-Demo. Zwar ist das Kampfsystem besser als es in Trailern aussah, der Rest enttäuschte durch das Anspielen aber umso mehr. Der Enthusiasmus, den einige Videospieljournalisten Sonic Frontiers gegenüber haben, kann von mir kaum geteilt werden, denn alles, was das Spiel versucht, können andere besser. Für einen Fan des modernen Sonic ist dieses Projekt ein Schlag in die Magengrube, und für den Rest ist es ein drittklassiger Genre-Mix, der nicht weiß, was er sein möchte.

Ein Sonic-Spiel? Mario Odyssey? Elden Ring? Eine Unreal-Tech-Demo? Warum nicht alles auf einmal.

Sonic Frontiers erscheint am 8. November 2022 für PC, PS4, PS5, Nintendo Switch, Xbox One und Xbox Series X/S.

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